Die Digitalisierung im ländlichen Raum hat längst begonnen. Gerade kleine Gemeinden stehen dabei vor Herausforderungen, die sich deutlich von denen der großen Städte unterscheiden.Beim „1. Ostbayerischen Kommunal-Forum Digitalisierung“ diskutierten rund 35 Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler, Bürgermeister und Vertreterinnen und Vertreter kommunaler Verwaltungen, welche aktuelle Ansätze auch in kleinen Gemeinden realisiert werden können.
Initiiert und organisiert wurde das Dialogformat durch den Hochschulverbund Transfer und Innovation Ostbayern (TRIO) in enger Zusammenarbeit mit den BayernLabs. Veranstaltungsort war das BayernLab in Vilshofen an der Donau. „Wir wollen Forschende und Kommunen direkt in einen Austausch über aktuelle Ansätze und Strategien bringen – um zugleich zu erfahren, welche Schwerpunktthemen und Herausforderungen in den Landkreis-Gemeinden von besonderer Bedeutung sind“, erläutert Dr. Thomas Metten (Universität Passau), der die Veranstaltung für den Hochschulverbund TRIO moderierte.
Zum Einstieg präsentierten Michael Niedermeier (Lehrstuhl für Rechnernetze und Rechnerkommunikation, Universität Passau) und Matthias Oswald (Technologie Campus Grafenau, Technische Hochschule Deggendorf) zwei Projekte zur Digitalisierung im ländlichen Raum.
Das Projekt „BiCE“ der Universität Passau sammelt Daten durch die Nutzung von E-Bikes. Diese können für die Radfahrer selbst – zum Beispiel für die eigene Gesundheit oder die Fahrradwartung – relevant sein, aber auch für öffentliche Stellen, etwa im Hinblick auf die Regulierung des Verkehrsaufkommens oder den Umweltschutz. Dabei zeige sich, wie durch die vielfältige Nutzbarkeit der Daten Themen kombiniert und Vorteile in verschiedenen Bereichen geschaffen werden könnten, so Niedermeier.
Das Projekt „Dahoam 4.0“ des Technologie-Campus Grafenau zielt auf niedrigschwellige Angebote für die Bevölkerung. Die Digitalisierung sei gerade für ältere Menschen vielfach noch Neuland, so Oswald. Berührungsängste müssten abgebaut und Lösungen entwickelt werden, die am tatsächlichen Bedarf der Bürger ausgerichtet seien. Schon kleine „digitale Helfer“ könnten den Alltag im ländlichen Raum deutlich erleichtern, beispielsweise „Rufbusse“, die nach Bedarf kontaktiert werden können, oder digitale Anschlagbretter für Veranstaltungen in den Gemeinden.
Beide Wissenschaftler sprachen sich dafür aus, Entwicklungskonzepte für Gemeinden gesamtheitlich zu entwickeln. Vielerorts entstünden Insellösungen, Digitalisierung sei aber ein Querschnittsthema, das seine Mehrwerte gerade aus der Verknüpfung unterschiedlicher Bereiche wie Mobilität, Energie oder Gesundheitsvorsorge gewinne.
Karlheinz Roth, Bürgermeister der Gemeinde Spiegelau, knüpfte in der anschließenden Podiumsdiskussion direkt daran an: Die Digitalisierung in den Landkreis-Gemeinden könne nur mit einer direkten Beteiligung der Bürger gelingen. Die Realisierung konkreter Vorhaben setze zunächst einen politischen Willensbildungsprozess voraus, bei dem die Bürger aktiv mitentscheiden müssten – denn ohne breite Akzeptanz scheitere die Umsetzung schnell. Zudem brauche es „Türöffner-Projekte“, deren Mehrwert für die Gemeinde und deren Bürger unmittelbar erfahrbar seien.
Im Rahmen des Projekts „Digitales Dorf“ konnte die Gemeinde Spiegelau bisher mehr als 15 Teilvorhaben realisieren – von telemedizinischen Angeboten über die Digitalisierung der Schule bis hin zur digitalen Bücherei. Ergänzt wurden die Ausführungen durch Willi Steincke, der am Zentrum Digitalisierung Bayern die Themenplattform „Smart Cities and Regions“ betreut. Aktuell entwickelt er u.a. einen Atlas, der ab 2020 bayernweit best practice-Projekte bündeln und dadurch auch den interkommunalen Austausch stärken soll. Viele Ansätze existierten bereits und könnten von den Gemeinden für den eigenen Bedarf adaptiert werden.
In einer anschließenden Abstimmung wählten die anwesenden Bürgermeister und Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen die Themen aus, die in einem nächsten Schritt angegangen werden sollten: Strategien zur Digitalisierung in den Bereichen E-Governance, Gesundheitsversorgung und Mobilität haben demnach für die meisten Kommunen im Landkreis Passau Priorität.