„Gut die Hälfte aller deutschen Familienunternehmen löst ihre Nachfolge familienintern.“ Dies schätzt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn für den Zeitraum 2018 bis 2022. Eine solche Firmenübergabe ist ein ganzheitlicher Vorgang, der allen Akteuren Mut abverlangt. Diesen Mut beweist die Familie Zwicker nun schon in vierter Generation: 2018 hat Carola Zwicker das Unternehmen offiziell von ihrem Vater übernommen. Bereits seit 2016 ist die studierte Maschinenbauerin im Familienbetrieb tätig. Was eine familiäre Firmenübernahme bedeutet und welchen Herausforderungen sie sich stellen muss, darüber sprach TRIOLOG mit Carola Zwicker.
Frau Zwicker, was war Ihre Hauptmotivation, die Nachfolge Ihres Vaters anzutreten?
Carola Zwicker: Es war der Stolz darauf, das Familienunternehmen weiterzuführen. Da das Unternehmen schon immer in Familienbesitz war, wollte ich diese Tradition gerne fortführen.
Wann und auf welche Weise haben Sie begonnen, die Übergabe einzuleiten?
Zwicker: Aufgrund meiner schulischen Laufbahn und dem Maschinenbaustudium war schon relativ früh klar, dass ich mal in den Familienbetrieb einsteigen werde. Für meinen Vater war das nie ein Muss, allerdings fand er es immer schön, wenn das Unternehmen in Familienbesitz bleiben würde.
Welches Rezept braucht es für eine gelingende Unternehmensübergabe?
Zwicker: Das Erfolgsrezept lautet Vertrauen. Vertrauen in den Nachfolger oder die Nachfolgerin braucht man von Anfang an. Mein Vater hat mir freie Hand gelassen, weil er mir vertraut hat. Natürlich steht er mir beratend zur Seite, wenn ich Fragen oder ein Problem habe und diese Sicherheit finde ich auch sehr gut. Der Vorgänger oder die Vorgängerin muss aber natürlich auch abgeben können. Das ist in vielen Betrieben leider nicht der Fall, wodurch es dann zu Streitigkeiten kommen kann.

Der Vorgänger oder die Vorgängerin muss abgeben können.“
Wie überwindet man nach der Übernahme mögliche auftretende Differenzen?
Zwicker: Hierfür braucht es in jedem Fall jede Menge Selbstbewusstsein. Differenzen kann es natürlich geben. In meinem Fall gar nicht unbedingt mit meinem Vater. Zu Differenzen kann es auch mit Führungskräften oder Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kommen, die beispielsweise älter sind oder eine lange Betriebszugehörigkeit aufweisen. Ich bin direkt vom Studium in die Firma gekommen, weshalb einige sicher gedacht haben, dass ich es theoretisch kann, aber praktisch nicht. Ich habe daher den Weg gewählt, dass ich die Belegschaft einfach um Rat frage. Ich bitte sie um ihre Unterstützung, sehe uns als ein Team. Auch wenn ich die theoretischen Grundlagen und Sachverhalte aus dem Studium kenne, kann ich in der Praxis nicht alles wissen, gerade was interne Prozesse oder Erfahrungswerte angeht. Meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stehen mir da mit Rat und Tat zur Seite.

Es braucht in jedem Fall jede Menge Selbstbewusstsein.“
Die Geschichte der Zwicker Kugellager GmbH
Im Jahre 1927 gründete der Mechaniker-Meister Christian Zwicker, der Urgroßvater der heutigen Geschäftsführerin Carola Zwicker, die Firma Zwicker Kugellager in Esslingen. Als dann ihr Großvater die Leitung übernommen hat, erfolgte aufgrund von Personalmangel im Großraum Stuttgart im Jahr 1978 der Standortwechsel nach Schöllnach. 1984 stieg ihr Vater in das Unternehmen ein und leitete es gemeinsam mit ihrem Großvater. 1993 eröffnete der Großvater eine zweite Produktionsstätte im nahe gelegenen Tschechien. Seit den 2000er Jahren ist die Zwicker Kugellager GmbH ein Unternehmen der Künemund-Gruppe. Im Fokus der Zwicker Kugellager GmbH steht die Produktion von Sonderkugellagern, die präzise auf den Bedarf und Einsatzzweck des Kunden abgestimmt sind.
Wie gelingt es, plötzlich von der Belegschaft als Chefin angenommen zu werden?
Zwicker: Es war sehr früh bekannt, dass ich mal die Geschäftsführung übernehme, das war ein Vorteil. Als es dann so weit war, habe ich mir zum Beispiel schon überlegt, ob ich weiterhin alle duzen oder nun doch besser siezen sollte. Dazu muss man wissen, dass viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mich tatsächlich schon seit Kindertagen kennen. Ich habe mich dafür entschieden, alle zu duzen, auch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil ich es schwierig fände, die eine Hälfte zu duzen und die andere Hälfte nicht.
Den nötigen Respekt verschaffe ich mir, indem ich die Probleme der Belegschaft erkenne und mit ihr zusammen eine Lösung finde. Und auch dadurch, dass ich direkt in der Produktion mithelfe, wenn viel zu tun ist. Viele sagen, dies wäre nicht meine Aufgabe, aber für mich ist es selbstverständlich und mitarbeiternah, so entsteht eine Bindung. Sie sehen dadurch auch, dass ich ihre Tätigkeiten beherrsche und das technische Wissen habe, um die Probleme zu erkennen.

Langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen mich schon seit Kindertagen.“
Wie schafft man die richtige Balance von Unternehmenskontinuität und neuen Wegen?
Zwicker: Mein Vater hat das Unternehmen immer gut und strukturiert geführt. Daher hatte ich eine sehr gute Basis, auf der ich aufbauen konnte. Durch interne Verbesserungen versuche ich langsam, neue Produkte einzuführen. Zusammengefasst könnte man sagen: die Basis bestehen lassen, Stück für Stück Neues ausprobieren, kleine
Verbesserungen einführen, stetig darauf aufbauen und dadurch wachsen.
Das Interview führte Simone Lindlbauer
Ersterscheinung: TRIOLOG 6/Dezember 2021
Familiäre Unternehmensnachfolge aus Sicht der Wissenschaft
Wird ein Unternehmen über Generationen hinweg innerhalb der Familie weitergeführt, ist dies viel mehr als ein reiner Erwerbszweck. Deshalb spielen bei einem Generationenwechsel neben der Klärung, wer das Unternehmen zukünftig leitet und wer das Eigentum an dem Unternehmen übernimmt, nicht messbare Faktoren eine wesentliche Rolle: Herzblut, Familientradition, Begeisterung für die Kundinnen und Kunden sowie die soziale Verantwortung gegenüber der Belegschaft und auch gegenüber der Region, in der das Unternehmen angesiedelt ist. Diese Meinung vertritt auch Dr. Thomas Geiß, Professor für Existenzgründung und Unternehmertum und Leiter des Instituts für Existenzgründung und Startup Campus der Technischen Hochschule Deggendorf: „Familienbetriebe haben eine so starke emotionale Bindung an die Region, das ist nicht immer mit Geld aufzuwerten. Eine Unternehmensnachfolge darf nicht an monetärem Interesse der Beteiligten scheitern“.
Unternehmensnachfolgen verlaufen nicht immer so erfolgreich wie bei der Zwicker Kugellager GmbH (siehe Interview). Eine Nachfolge muss strategisch durchdacht sein. „Anders als ein Unternehmen von null aufzubauen, setzt man sich bei einer Unternehmensnachfolge in einen fahrenden Zug und übernimmt das Steuer“, beschreibt es Prof. Dr. Thomas Geiß. Der Einfluss des Vorgängers oder der Vorgängerin, beispielsweise in beratender Funktion, sollte zeitlich limitiert sein, um Innovationen und Veränderungsprozesse nicht auszubremsen. Oftmals will die Vorgängergeneration nämlich gerade das bewahren, was sie selber aufgebaut hat, an „alten“ Produkten und Strategien festhalten, anstatt offen zu sein für Innovationen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies ist bei Nachfolgen innerhalb der Familie eine Herausforderung, der zu stellen es auf allen Seiten Mut bedarf.