Die Corona-Krise ist ein Live-Laboratorium in Sachen Wissenschaftskommunikation. Noch nie standen so viele Forschende so weit vorne in der Öffentlichkeit. Und das über viele Monate hinweg. Wer genau hingeschaut und zugehört hat, konnte eine Menge lernen. Über das Kommunizieren im Allgemeinen und auch über den Umgang mit Medienvertretern und -vertreterinnen.
Klingt banal, ist es aber nicht. Denn Journalisten haben Erwartungen. Die sollte man erfüllen, auch wenn sie im wissenschaftlichen Tagesgeschäft nicht immer leicht unterzubringen sind. Erwartung Nummer eins ist dann auch gleich die schwierigste. Weil sie Einfachheit verlangt. Nämlich die Verständlichkeit der Sprache. Journalistinnen schreiben für Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher. Wissenschaft aber ist komplex. Die Aufgabe lautet also, das Komplexe auf das Einfache herunterzubrechen. Als wäre das nicht schon per se schwierig, haben manche zusätzlich Angst, sich durch die Simplifizierung in der eigenen Community eine Blöße zu geben. Das ist dann allerdings Hybris derer, die sich nicht aus dem Elfenbeinturm bewegen wollen. Dabei ist doch eines klar: Jede Innovation braucht gesellschaftliche Resonanz und das Commitment der Menschen. Ohne verständliche Kommunikation in die Gesellschaft geht das nicht. „Der Friedhof gescheiterter Innovationen“, so hat der französische Technikforscher Bernard Réal ganz richtig festgestellt, „ist zum Bersten voll!“ Und auch ein Grundsatzpapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2019) hält es für notwendig, „dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den öffentlichen Diskurs einbringen, über ihre Forschungsarbeit allgemeinverständlich kommunizieren und Zusammenhänge einordnen.“
Ebenfalls ganz oben auf der Erwartungsliste der Medienschaffenden: die Erreichbarkeit. Journalismus war mal ein Tagesgeschäft, heute ist es dank Social Media meist schon ein Minutengeschäft. Wer hat die Info als erstes draußen, wer hat die erste Expertenmeinung am Start, wer generiert die meisten Klicks? Das „Hochschulgeschäft“ ist im Vergleich dazu eher träge. Wer aber mit seiner Technologie und seinem Thema in der Öffentlichkeit sein oder umgekehrt in der Öffentlichkeit als gefragter Experte wahrgenommen werden will, der muss auf Zack sein. Erste Anlaufstelle und Ankerkontakt sind in der Regel die PR-Stellen der Hochschulen. Als Schnittstelle vermitteln sie zwischen Wissenschaft und Medien.
Sie unterstützen beide Seiten gleichermaßen und fühlen sich beiden als verlässlicher Servicedienstleister verpflichtet. Dafür brauchen auch sie, dass Forscherinnen und Forscher erreichbar, ansprechbar sind. Selbst wenn es natürlich nicht immer möglich ist, Presseanfragen zufriedenstellend zu beantworten. Antwort oder nicht, die Erreichbarkeit von Wissenschaftlerinnen ist stets ein echtes Qualitätskriterium aus Sicht der Medien.
Punkt drei ist die Offenheit. Nun ist es ja ein ethisches Selbstverständnis der Wissenschaft, immer transparent und ehrlich zu sein. Wer würde dem nicht zustimmen? Andererseits gibt es Verschwiegenheitsvereinbarungen, etwa bei Kooperationen mit Unternehmen. Oder heikle Themen. Man denke nur an Tierversuche oder Technologien, die auch militärisch genutzt werden könnten. Was ja auf fast alle Ingenieursthemen zutrifft. Beispiel gefällig? Beim Besuch einer (hier nicht genannten) Universität wurde uns die additive Fertigung mit Verbundwerkstoffen gezeigt. Frage einer Teilnehmerin: „Machen Sie auch militärische Forschung?“ Antwort: „Nein, natürlich nicht. Das kommt für uns nicht in Frage!“ Fun Fact – Das vorgeführte Praxisbeispiel ist der Rahmen einer Hubschrauberkanzel. Alles klar. Offenheit erfordert also einen gewissen Mut. Bei den Medien kommt das gut an, denn niemand will für dumm verkauft werden. Gerade an dieser Stelle darf man die Eigenlogiken der Mitspieler nicht vergessen. Grundsätzlich und prinzipiell dient der Journalismus der Informationsvermittlung. Er hat eine Kritik- und Kontrollfunktion. Aber Medien brauchen mit zunehmender Ökonomisierung auch mehr und mehr Aufmerksamkeit. Deshalb mögen sie Kontroversen und skandalisieren gerne. Sie springen immer auf das Besondere an. Auf das, was außerhalb der Norm liegt. Je gravierender Informationen vom Erwarteten und vom Üblichen abweichen, desto höher ist die Aufmerksamkeit. Wer also nicht offen ist, wer den Anschein erweckt, etwas verbergen zu wollen, der hat schlechte Karten. Das vielzitierte Dogma „Only bad news are good news“ stimmt dabei allerdings nicht. So jedenfalls eine US-Studie der UCLA in Kooperation mit der University of Michigan aus dem Jahr 2018.
Gibt man Medienvertretern ein Interview, so sollte man mit etwas Fingerspitzengefühl versuchen, sich zu erkundigen, wann der Artikel gedruckt oder das Gespräch gesendet wird. Auch wenn nur wenige Zeilen oder Sätze eines Interviews publiziert werden, ist dies für die Hochschule trotzdem ein Erfolg. Denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Redaktionen bekommen häufig klare Vorgaben für die Länge des Beitrags und können diese nicht überschreiten – selbst wenn das Thema noch weitere, interessante Aspekte beinhaltet hätte. Auch ist es wichtig zu wissen, dass Redakteure ihren Beitrag vor der Publikation zur Information teilen können, sie müssen es aber nicht. Eine Bestätigung des Textes ist nur bei Wortlautinterviews nötig. Es gibt keinen Anspruch, einen kompletten Artikel gegenzulesen.
Manchmal kommen Medienanfragen direkt und ohne Umleitung über die Pressestelle. Aber kein Grund zur Panik. Auch wenn es die Medien immer eilig haben, so hat man doch ein Recht darauf, in Ruhe und wohl überlegt zu antworten. Schließlich dient es auch dem Qualitätsanspruch der Presse, solide Inhalte abzuliefern. Um es auf einen finalen Nenner zu bringen: Journalisten – und auch Journalistinnen – fragen immer dieselben Leute. Die, mit denen sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben. Sie kommen in der Regel nicht auf die Idee, mal jemand anderen zu fragen, weil das zu aufwändig ist. So wie wir das auch tun. Das Gute ist, grundsätzlich stehen die Medien der Wissenschaft positiv gegenüber. Wissenschaft bietet eine enorme Vielfalt von spannenden Themen. Schon vor Covid-19 bestätigten rund 60 Prozent der Menschen in Deutschland ein großes oder sogar sehr großes Interesse an Wissenschaft und Forschung. Erst recht, wenn diese in gute Geschichten verpackt sind. Das gilt nicht nur für Formate wie Terra X oder Lerschs Kosmos, sondern auch für Tages- und Wochenzeitungen.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, oft abgeleitet von der eigenen High-Level-Profession, „schon zu wissen, wie das mit den Medien und den sozialen Medien geht“. Aber es ist wie immer im Leben umgekehrt. Niemand sollte uninformiert und untrainiert an eine Sache herangehen. Schon gar nicht an eine so wichtige und weithin sichtbare wie die externe Kommunikation.
Im Interview
- Überlegen Sie sich vor dem Gespräch, welche Kernbotschaft deutlich werden soll.
- Formulieren Sie kurze Sätze.
- Benutzen Sie wenig Fach- und Fremdwörter oder Zahlenangaben.
- Versuchen Sie, das Thema durch Beispiele anschaulich zu machen.
- Wiederholen Sie Ihre Kernbotschaft.
Telefonische Medienanfragen
- Wer genau fragt an? (Journalist / Medium)
- Um welches Thema geht es genau, bzw. um welchen Kontext?
- Immer Unterstützung anbieten.
- Verlässlich und zeitnah Rückmeldung geben (Service).
- Zeit nehmen für sorgfältige Antworten.
- Bei kritischen Themen: Unmittelbar das Referat für Hochschul- und Wissenschaftskommunikation informieren.
5 TODSÜNDEN
1. Lügen | Egal ob bewusst oder schlecht vorbreitet. Das Vertrauen ist auf einen Schlag weg. Gute Vorbereitung ist das A und O. Aussagen müssen immer faktenbasiert sein. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollte das doppelt gelten.
2. Angst vor Ambiguität | Es liegt in der Natur der Wissenschaft, dass sie in ihren Erkenntnissen nicht selten vage und uneindeutig bleibt – eben auf der Basis des jeweils aktuellen Wissensstands. Es braucht ein wenig Mut, das offen zu sagen. Aber Ehrlichkeit gewinnt.
3. Berichterstattung bestimmen | Schon die Frage, wann ein Bericht erscheint, kann die Berufsehre von Journalisten negativ berühren. Erst recht, wenn man Texte vorab prüfen oder gar korrigieren will. Niemals. Ausnahme: Originalzitate.
4. Druck ausüben | In Deutschland besteht Pressefreiheit. Das heißt, man muss auch mal negative Berichterstattung aushalten können.
5. Emotional werden | Auch viele wissenschaftliche Themen sind heute emotional aufgeladen. Man wird mit falschen Einschätzungen oder Verschwörungstheorien konfrontiert. Cool und sachlich bleiben. Nur belegte Fakten zählen wirklich – und noch einmal: gute Vorbereitung.
Text und Bilder: Dr. Jörg Kunz
Ersterscheinung: TRIOKOMM/Herbst 2020