Mobilität ist für unsere Gesellschaft ein Grundbedürfnis. Denn sie sorgt für Wohlstand und Teilhabe am öffentlichen Leben. Auf der anderen Seite belastet der stetig wachsende Verkehr in Deutschland Menschen und Umwelt. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Forschende in Landshut und Regensburg entwickeln derzeit Lösungen, wie nachhaltige Mobilität einen Gang zulegen könnte.
Stop and Go auf Deutschlands Straßen: Immer mehr Menschen sind mit immer mehr Fahrzeugen unterwegs. So hat sich laut Umweltbundesamt der Personenverkehr im Vergleich zu 1960 vervierfacht, der Güterverkehr mehr als verdreifacht. Die Folgen: Aktuell verursacht der Verkehr rund ein Fünftel der gesamten Treibhausemissionen in Deutschland. Wie schaffen wir es, die Mobilität von Menschen und Gütern zu erhalten und sie gleichzeitig sauberer, also umweltverträglicher, zu gestalten? An der Hochschule Landshut und der OTH Regensburg forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu bereits auf mehreren Gebieten:
E-Mobilität
Elektro- und Hybridfahrzeuge leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, wenn der benötigte Strom aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird. Trotzdem halten sich viele Autofahrerinnen und -fahrer beim Kauf eines E-Autos bisher noch eher zurück. Als Gründe werden oft zu geringe Reichweiten, zu lange Ladezeiten und zu hohe Anschaffungskosten genannt. Hier setzt das Forschungsprojekt SpinnAP der Hochschule Landshut an, das Batterien preiswerter und sicherer machen will. Dabei entwickeln die Forschenden unter Leitung von Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger am Technologiezentrum Energie gemeinsam mit drei Partnerunternehmen neue Materialien und Technologien, um die Batterieproduktion für Unternehmen produktiver zu gestalten.
Leistungsfähige Batterien
Dazu zählt ein neuartiges Spinning-Konzept, das schneller als die bisherigen Verfahren ist und in vorhandene Zell-Produktionsstraßen eingebaut werden kann. „Beim Elektrospinning werden Materialien in feinste Fasern mit Durchmessern von wenigen Mikro- oder Nanometern versponnen“, erklärt Pettinger, wissenschaftlicher Leiter am TZ Energie in Ruhstorf an der Rott. Diese Nanofasern optimieren die Leistung in Energiespeichern und führen zur Verbesserung von wiederaufladbaren Lithium-Zellen.
Kostengünstigere Produktion
Zur schnelleren Produktion von Batterien trägt zudem die Methode der Lamination bei, an der im Projekt ebenfalls geforscht wird. Das Laminieren von bislang nicht laminierbaren Elektroden durch Elektrospinning dient der Produktionssteigerung beim Bau besonders langlebiger Lithium-Ionen-Zellen. „Wenn Batteriehersteller schneller produzieren, reduzieren sich auch die Kosten“, erläutert Pettinger, „das könnte letztendlich den Preis für E-Mobilität senken.“

Diese Festkörperbatterien gelten als aussichtsreiche Nachfolger der etablierten Lithium-Ionen-Technologie. Sie sind sicherer, zuverlässiger und langlebiger als ihre Vorgänger.“ Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger
Höhere Reichweiten
Neben der schnelleren Herstellung von Batterien steht bei den Forschenden auch die Entwicklung von neuen Materialien und Technologien im Fokus ihrer Arbeit. So entwickelt und testet das Projektteam Batterien mit festem (statt bisher flüssigem) Elektrolyt. „Diese Festkörperbatterien gelten als aussichtsreiche Nachfolger der etablierten Lithium-Ionen-Technologie“, so Pettinger, „sie sind sicherer, zuverlässiger und langlebiger als ihre Vorgänger.“ Gleichzeitig sollen sie aufgrund ihrer nochmals höheren Energiedichte und Speicherkapazität die Ladevorgänge verkürzen. „Wenn wir hier einen Schritt weiterkommen, könnte das die Reichweite von Elektroautos erhöhen. Das würde die Elektromobilität für viele Autofahrerinnen und -fahrer ebenfalls attraktiver machen.“
Neues Antriebssystem
In eine andere Richtung forscht Prof. Dr. Alexander Kleimaier an der Hochschule Landshut. Gemeinsam mit dem Unternehmen Silver Atena arbeitet er im Rahmen des Forschungsprojekts „Ines Selma“ daran, eine neue, leicht herstellbare und kostengünstige Technologie für den kompletten elektrischen Antrieb zu entwickeln. Diese basiert auf einem Elektromotor mit integrierter Leistungselektronik, Sensorik und Regelung und soll in Zukunft als Antrieb für Elektro- und Brennstoffzellen-Fahrzeuge, als Starter-Generator sowie als Antriebsmotor in der Luftfahrt Anwendung finden.
Weniger Magnetmaterial
Im Rahmen eines Forschungssemesters wurde an der Hochschule Landshut bereits die Grundidee für das neue Elektromaschinenkonzept entwickelt. Das Besondere an dieser sogenannten Axialflussmaschine ist ihr modularer Aufbau aus U-Kernen sowie die Verwendung von Standardbauelementen wie UI30-Kernblechen und Steckspulen. „Das macht die Maschine sehr leicht herstellbar und je nach Bedarf skalierbar – für kleinere Fahrzeuge verwendet man einfach weniger Joche, für größere mehr“, erklärt Kleimaier. Ein weiterer Vorteil des Motors ist, dass für die Herstellung weniger Kupfer und weniger Magnetmaterial (seltene Erden) nötig ist, was die Produktion im Vergleich zu klassischen E-Motoren wesentlich kostengünstiger macht.
Maschine plus Elektronik
Diesen Motor will Kleinmaier nun im Rahmen des Projekts weiterentwickeln, vom Versuchsaufbau im Labor hin zu einem fahrzeugtauglichen Prototyp. Parallel dazu befasst sich Silver Atena mit der Leistungselektronik, welche die Maschine ansteuert und mit der Fahrzeugsteuerung kommuniziert. Aus der Kombination dieser beiden Komponenten soll so ein komplettes elektrisches Antriebssystem entstehen, das in dieser Form Maschine, Elektronik, Regelungssoftware und Sensorik optimal aufeinander abstimmt und auf Systemebene integriert. „Unser Ziel ist, das neue System für Fahrzeuge und die Luftfahrt anwendbar zu machen“, so Kleimaier. Gelingt das, kann sich die Hochschule Landshut als Newcomerin auf dem Gebiet der Maschinenentwicklung endgültig etablieren. Für die Axialflussmaschine gab es dazu schon ein Patent.

Eine erfolgreiche Energiewende, die auf der Nutzung von Wind und Sonne beruht, wird zur Überbrückung von Dunkelflauten immer auf chemisch gebundene Energieträger angewiesen sein. Es stellt sich deshalb die Frage, warum nicht gleich synthetische Kraftstoffe aus regenerativer elektrischer Energie herstellen?“ Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Rabl
Alternative Kraftstoffe
Während E-Mobilität die Möglichkeit bietet, im Straßenverkehr Kohlendioxid (CO2) zu sparen, das bei der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen wie Benzin und Diesel in großen Mengen freigesetzt wird, müssen für den LKW-, Flug- und Schiffsverkehr schnell andere Lösungen gefunden werden. Denn Trucks, Flugzeuge und Schiffe können kaum auf Elektroantrieb umgestellt werden. Gleichzeitig steigt der weltweite Transport durch
den wachsenden Handel immer weiter an. „Eine erfolgreiche Energiewende, die auf der Nutzung von Wind und Sonne beruht, wird zur Überbrückung von Dunkelflauten immer auf chemisch gebundene Energieträger angewiesen sein“, weiß Dr.-Ing. Hans-Peter Rabl, Professor für Maschinenbau an der OTH Regensburg. „Es stellt sich deshalb die Frage, warum nicht gleich synthetische Kraftstoffe aus regenerativer elektrischer Energie herstellen?“
Warum synthetische Kraftstoffe?
Sein Forschungsprojekt „NAMOSYN - Nachhaltige Mobilität“ hat zum Ziel, branchenübergreifend die Grundlagen für die Einführung synthetischer Kraftstoffe zu schaffen, die sich unter ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Kriterien nachhaltig produzieren lassen. In umfassenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sollen verschiedene Kraftstoffalternativen und unterschiedliche Einsatzgebiete ausgelotet werden. Dazu zählen motorische Tests, bei denen bereits verfügbare Kraftstoff-Verbindungen und -Mischungen beziehungsweise Mischungen mit heutigen Norm- Kraftstoffen zum Einsatz kommen. „Diese synthetischen Kraftstoffe können maßgeschneidert für den jeweiligen Anwendungsfall entwickelt werden, angefangen vom gasförmigen Wasserstoff bis zu den leicht zu speichernden Flüssigkeiten wie die sogenannten Oxymethylenether oder OME“, erklärt Rabl.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln darüber hinaus auch Prozessrouten, die mittel- und langfristig für eine kommerzielle Herstellung geeignet sind, und erproben diese sowohl in Prüfstands- auch in realen Praxistests. Am Ende steht die Prüfung der Ergebnisse auf dem Plan: Die Emissionsreduktion, die Kraftstoffkonformität sowie die reibungslose Anwendbarkeit der Kraftstoffe in bestehenden Fahrzeugen und Infrastrukturen werden untersucht und bewertet.
Was sind synthetische Kraftstoffe?
Synthetische Kraftstoffe, auch SynFuels genannt, sind energiereiche Substanzen, die aus regenerativ gewonnenem Wasserstoff und CO2 hergestellt werden. Sie nutzen somit das Kohlendioxid, das sonst mit den Abgasen von Industrieanlagen direkt in die Atmosphäre gelangt oder bereits in der Atmosphäre ist. Daher setzen sie kein zusätzliches CO2 frei, wie es bei fossilen Kraftstoffen der Fall ist. Die Grundstoffe der synthetischen Kraftstoffe, in diesem Fall eben CO2, sind energiearm. Durch chemische Verfahren werden daraus aber energiereiche SynFuels hergestellt – um entsprechend auch hier nachhaltig zu bleiben, kommt dabei Strom aus erneuerbaren Energiequellen zum Einsatz. Dieser Anreicherungsprozess macht SynFuels im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen wie Erdöl und Erdgas heute noch deutlich teurer.
Gemeinsam Forschen für nachhaltige Kraftstoffe
Dem NAMOSYN-Konsortium gehören Universitäten, Fraunhofer-Institute, Großforschungs-einrichtungen und Industrieunternehmen an. Gerade diese decken die komplette Wertschöpfungskette von der chemischen Synthese über die Verfahrensentwicklung, den Anlagenbau und die Motorentechnik bis zum Automobilhersteller ab. Genau darin liegt die Stärke des Forschungsprojekts. Denn synthetische Kraftstoffe können nur dann erfolgreich entwickelt werden, wenn Experten für alle Schritte von der Bereitstellung der Ressourcen über die chemische Herstellung bis zum Praxistest im Motor zusammenarbeiten. Koordiniert wird das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt mit seinen 37 Projektpartnern und einem Volumen von etwa 20 Mio. Euro von der DECHEMA.
Kosteneffiziente Syntheseverfahren
Um diese Kosten zu senken, entwickeln die Forschenden in NAMOSYN energie- und kosteneffiziente Syntheseverfahren, insbesondere für die Gruppe der Oxymethylenether (OME). Wichtig bei der Entwicklung der neuen nachhaltigen SynFuels ist vor allem eins: günstige Verbrennungseigenschaften, damit der Motor möglichst effizient arbeitet und der lokale Schadstoffausstoß niedrig bleibt. OME-Kraftstoffe produzieren durch ihren hohen Sauerstoffgehalt und die Abwesenheit von Bindungen zwischen Kohlenstoffatomen wenig Feinstaub und weniger Stickoxide als herkömmliche Kraftstoffe. Weil sie im Vergleich zu konventionellem Benzin oder Diesel hydrophiler sind, das heißt mehr Wasser anziehen, werden dazu auch die Kompatibilität des Motors, der Dichtungen und der kraftstoff-führenden Komponenten mit dem neuen Kraftstoff getestet.
OME-Kraftstoffe...
...produzieren durch ihren hohen Sauerstoffgehalt und die Abwesenheit von Bindungen zwischen Kohlenstoffatomen wenig Feinstaub und weniger Stickoxide als herkömmliche Kraftstoffe.
Nachrüstung von Motoren
Um bei Bedarf auch bestehende Motoren auf die neuen Kraftstoffe umrüsten zu können, optimieren oder entwickeln die Forscherinnen und Forscher geeignete Komponenten wie zum Beispiel Einspritzsysteme. Im Praxistest muss sich ein Prototypmotor bewähren: Erst wird der Motor selbst getestet, dann in ein Testfahrzeug eingebaut und unter Realbedingungen auf Fahrverhalten und Ausstoß von Emissionen untersucht. Auch die Kompatibilität der SynFuels mit der bestehenden Infrastruktur für Kraftstoffe (etwa Tanklaster, oder Tankstellensysteme) kommen unter die Lupe. So entstehen Lösungskonzepte für eventuell erforderliche Anpassungen.
Welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle?
Die technologische Entwicklung allein reicht aber nicht aus, um die synthetischen Kraftstoffe erfolgreich auf den Markt zu bringen. Die SynFuels müssen auch wirtschaftlich sein. Welche Mengen können in absehbarer Zeit produziert werden? Wie nachhaltig sind die Kraftstoffe in ökologischer Hinsicht? Welche sozialen Auswirkungen sind zu erwarten? Wie können bestehende Normen erfüllt werden? Um all diese Fragen zu beantworten, arbeitet das Projekt mit BEniVer, der Begleitforschung „Energiewende im Verkehr“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zusammen. Im Sinne einer Lebenszyklusanalyse werden SynFuels über die gesamte Prozesskette betrachtet und ihr Beitrag zur CO2-Minderung nach den gleichen Kriterien wie andere nachhaltige Technologien evaluiert.
Autorinnen: Veronika Barnerßoi/Karina Amann
Ersterscheinung: TRIOLOG 3/Juli 2020