Wenn die Oberpfälzer etwas als „neimodisch“ qualifizieren, ist der Abgesang bereits angestimmt. Neimodisch bedeutet, dass eine Sache bestenfalls skeptisch beäugt wird – möglichst aus der Ferne – oder dass schlimmstenfalls ein katastrophales Scheitern Unheil über Viele bringen wird. Dabei basieren derartige Urteile meist nicht auf Erfahrungswissen, sondern sind typische Unkenrufe. Gerade gegenüber moderner Technologie im Speziellen und dem Fortschritt im Allgemeinen bestehen gerne Vorbehalte. Diese allgemeine Skepsis wurzelt kulturell wie habituell tief.
Die Angst vor dem Roboter
Da sich dank selbstlernender Systeme nichts weniger als eine Revolution in Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft abzeichnet, scheint es nötig, sich mit der Herkunft dieser Skepsis auseinanderzusetzen und wo nötig Gegenstrategien zu entwickeln.
In den Medien beliebt sind Geschichten von Robotern, die im OP und bei der Pflege den Menschen ablösen. Der Roboter, von seiner Sprachherkunft nichts Anderes als etwas (bzw. in der literarischen Tradition eher ein „jemand“), das wie ein Sklave Frondienste verrichtet, stammt von der Figur des Golems her.
Dabei handelt es sich um ein aus Ton geschaffenes Wesen, das mittels kabbalistischer Formeln zum selbstbewegten Leben erweckt wird – ganz ähnlich tritt auch der Adam ins Leben. In einigen Legenden gerät der programmierte Tonmann außer Kontrolle und wendet sich gar gegen seine Erzeuger. Dieses Schicksal wiederholt sich später im Frankenstein.
Die Analogien zur Furcht vor Robotern und Programmen, die mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, liegt auf der Hand. Auch die Sorge, ein Mensch könnte mit einer Künstlichen Intelligenz verschmelzen und dann von dieser beherrscht werden, hat sich so tief ins kollektive Unterbewusstsein eingebrannt, dass aktuelle Superhelden-Blockbuster immer wieder neuen Honig daraus saugen können.
Erfolgsgeschichten nehmen die Angst
Wie soll man den Ängsten vor dem Einsatz moderner Informationstechnologie in der Medizin entgegenwirken? Da es sich im Kern um Schauergeschichten handelt, muss man diesen positive Erzählungen (neudeutsch: Framing) entgegensetzen. Die dahinterstehende Technologie muss erklärt werden – denn sobald konkrete Abläufe und Prozesse sichtbar und nachvollziehbar sind, schwindet die Furcht vor dem Vorgang an sich. Beispiel: Die „Aufklärung“ über Christkind und Krampus.
Doch auch Erfolgsgeschichten müssen breit kommuniziert werden. Nichts ist so überzeugend wie der Bericht eines Menschen, der dank moderner Medizin Leiden überwinden konnte. Umso mehr, wenn Belastendes und Beeinträchtigendes klar benannt wird. Der technologisch-wissenschaftliche Fortschritt ermöglicht die Heilung bisher als unbehandelbar geltender Krankheiten, über die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren entstehen sichere Arbeitsplätze. Gerade die ostbayerische Region kann davon profitieren.
Basst scho
In ländlichen Räumen werden die Auswirkungen des Kostendrucks und des demografischen Wandels auf die Strukturen der Gesundheitsversorgung nur bewältigt werden können, wenn die Digitalisierung und der Einsatz von unterstützender Maschinenintelligenz die Verfügbarkeit, die Qualität und die Effizienz medizinischer Dienstleistungen flächendeckend möglich machen.
Hochspezialisierte Chirurgen werden mittels Robotern auch über große Entfernungen hinweg komplizierte Operationen durchführen – sie sitzen in ihrem Münchner Büro, der Roboter operiert in Weiden. 3D-Drucker erstellen passgenaue Implantate und personalisierte Medizin. Bildgebende Verfahren unterstützen bei Operationen.
Künstliche Intelligenz hilft bei der Brustkrebsfrüherkennung mit – und erspart Hunderttausenden Frauen risikoreiche Bestrahlungen. Die Aufbereitung medizinischer und klinischer Daten wird die Diagnostik revolutionieren und individuelle Behandlungen ermöglichen.
Akzeptanz hat man in der Oberpfalz freilich erst dann erreicht, wenn neue Entwicklungen in der Medizin mit dem Verdikt „basst scho“ quittiert werden. Denn höheres Lob ist in dieser Weltgegend kaum möglich.
Autoren: Prof. Dr. Steffen Hamm und Dr. Matthias Schöberl
Ersterscheinung: TRIOLOG 2/Dezember 2019