Das Regensburg Medical Image Computing (ReMIC) hilft, medizinische Bilder besser zu analysieren.
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – dieses Sprichwort trifft im besonderen Maße auf den medizinischen Kontext zu. Bilder sind ein wesentlicher Bestandteil des medizin- diagnostischen Prozesses – egal ob 2D-Aufnahmen aus Fotografie und Endoskopie oder 3D-Bilddaten aus der Magnetresonanztomografie oder der Computertomografie. Anhand dieser Bilddaten können Ärztinnen und Ärzte krankhafte Veränderungen wie zum Beispiel Brüche, Zysten oder Tumore erkennen, analysieren und entsprechend behandeln.
Medizinische Bildverarbeitung ermöglicht objektivere Interpretation
Die Analyse der Bilder ist jedoch letztlich immer bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Wie gut und richtig die Interpretation ausfällt, hängt zum Beispiel von der Erfahrung des medizinischen Personals ab. Genau hier setzt die Medizinische Bildverarbeitung an. Ihr Ziel ist es, die Behandelnden bei der Analyse der Bilddaten zu unterstützen und eine objektivere Vermessung des Gewebes zu ermöglichen.
Bildverarbeitung
Das Thema Bildverarbeitung bildet einen wichtigen Baustein der medizinischen Informatik. An der OTH Regensburg gibt es seit 2013 das Regensburg Medical Image Computing (ReMIC), in dem genau zu diesem Thema geforscht und gelehrt wird – und zwar fächerübergreifend. Das ReMIC ist der Fakultät Informatik und Mathematik angegliedert und Mitglied in den Forschungseinrichtungen Regensburg Center of Biomedical Engineering (RCBE), Regensburg Center of Health Sciences and Technology (RCHST) und Regensburg Center for Artificial Intelligence (RCAI)
Deep Learning für automatische Klassifizierung
Die „klassische“ Bildverarbeitung hat in den letzten fünf Jahren einen starken Wandel erlebt – von der individuellen Festlegung der Kriterien durch den Anwender hin zur Anwendung von Künstlichen Neuronalen Netzen. Der wesentliche Unterschied dabei ist, dass Bildmerkmale, die das System erkennen soll, nicht mehr im Dialog zwischen Medizinerinnen und Medizinern sowie Informatikerinnen und Informatikern entwickelt und festgelegt, sondern vom Rechner selbst gelernt werden. Damit ist die Medizinische Bildverarbeitung zu weiten Teilen eine Disziplin der Künstlichen Intelligenz geworden. Das ReMIC fokussiert sich seit einigen Jahren auf die Methodenentwicklung und die Anwendung von sogenannten Deep Learning-Verfahren. Deep Learning ist ein Teilgebiet des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz, das Neuronale Netze mit sehr vielen Schichten einsetzt.
Für den Lernprozess des Systems ist es allerdings erforderlich, dass es das gewünschte Ergebnis für eine große Zahl von Bildern vorab kennt. Und dazu braucht man Daten. Deshalb ist es besonders wichtig, dass für das Training des Systems von Hand markierte Bilddaten aus den Kliniken zur Verfügung stehen. Ist das Training des Neuronalen Netzes abgeschlossen, kann es neue Bilder automatisch segmentieren oder klassifizieren.
Der Computer als Zweitgutachter
Derzeit sind im ReMIC zwei Doktoranden mit Projekten im Bereich Deep Learning beschäftigt, weitere Studierende unterstützen sie mit ihren Bachelor- und Masterarbeiten. Ein Projekt beschäftigt sich mit Schleimhautschädigungen in der Speiseröhre, die auf ein erhöhtes Risiko für Speiseröhrenkrebs hinweisen. Aufgrund der maschinellen Auswertung der endoskopischen Bilder sollen Rückschlüsse auf die Ausprägung einer möglichen Erkrankung gezogen werden. Durch Einsatz von Deep Learning konnte in den letzten Jahren mehrfach eine Qualität bei der diagnostischen Auswertung medizinischer Bilder erreicht werden, die die von Ärzten erreicht und übertrifft. Damit begegnen sich Arzt und Rechner auf Augenhöhe, so dass künftig der Computer zumindest als Zweitgutachter etabliert werden könnte.
Virtuelle Hand-OP
Neben dem Fokus auf Deep Learning wird im ReMIC seit einigen Jahren ein Trainingssystem für minimalinvasive Handoperationen entwickelt. Im Projekt HaptiVisT hat sich ein deutschlandweites Konsortium mit Partnern aus Industrie, Kliniken und Wissenschaft mit dem Ziel zusammengefunden, eine möglichst realistische Simulation einer solchen Operation zu schaffen. Angehende Ärztinnen und Ärzte können an diesem Trainingsgerät die Operationstechniküben, bevor sie zum ersten Mal einen Menschen operieren. Sie arbeiten dabei mit einem Bohrer, wie er bei der realen Operation eingesetzt wird. Das HaptiVisT-System nutzt bei der Simulation Komponenten aus haptischem Feedback, 3D-Visualisierung und 3D-Druck – und schafft so eine Mischung aus echter Welt (3D-gedruckte Hand) und virtueller Welt (3D-Visualisierung). Eine Mixed Reality, wie Fachleute dazu sagen.
Das ReMIC ist eng mit der Medizinwelt vor Ort vernetzt, Hochschule und Kliniken kooperieren in vielen verschiedenen Bereichen. Die Computerunterstützte Diagnostik und das medizinische Training bilden jedoch einen der thematischen Schwerpunkte. Damit ein Bild am Ende noch mehr sagen kann als tausend Worte.
Autorinnen: Marie-Luise Appelhans und Karina Amann
Ersterscheinung: TRIOLOG 2/Dezember 2019