Die Digitalisierung der Landwirtschaft ist Chance und Herausforderung zugleich. Sie betrifft alle Akteure landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten. Obwohl das Thema in den Medien sehr präsent ist, werden digitale Technologien in Bayern bisher nur sehr begrenzt genutzt. Die Online-Plattform „Regiothek“ sowie die Zusammenarbeit der Universität Passau und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zeigen, welche Synergien und Mehrwerte auch in diesem Bereich durch Kooperationen entstehen können.
Haben Sie sich schon mal gefragt, wo in Ihrer Umgebung das Brot noch handwerklich mit Bio-Zutaten gebacken wird? Oder woher das Rindfleisch in Ihrem Burger stammt? Oder wie Sie Obst und Gemüse direkt vom regionalen Erzeuger bekommen? All diesen Fragen rund um das Thema „ehrliches Essen“ widmet sich die Online-Plattform „Regiothek“. Hier können sich kleine Betriebe aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Gastronomie präsentieren und erreichen damit direkt ihre Kunden: Menschen, die Qualität schätzen und wissen wollen, woher ihr Essen kommt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können nicht nur die Lieferbeziehungen zwischen den einzelnen Betrieben nachvollziehen, sondern sich auch darüber informieren, wer was in Sachen Nachhaltigkeit bietet. „Wir wollen damit Transparenz als Grundlage für individuelle Konsumentscheidungen schaffen“, erklärt Simon Nestmeier, der die Plattform gemeinsam mit Alexander Treml, Bastian Kühnel und Anton Kohlbauer gegründet hat.
Plattform ermöglicht Sichtbarkeit von Kleinbetrieben
Die „Regiothek“ ist ein Ausgründungsprojekt des Lehrstuhls Data Science der Universität Passau. Die Idee entstand eher zufällig, als Alexander Treml, damals noch Informatikstudent an der Universität Passau, in einer kleinen Mühlenbäckerei jobbte: „Ich habe Brot und Semmeln auf verschiedenen Wochenmärkten verkauft und dabei sehr viel über die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden sowie über die Herausforderungen gelernt, mit denen sich die Anbieterinnen und Anbieter im Zuge der Digitalisierung konfrontiert sahen“, erinnert sich Treml. Konkret: Viele sehen die Notwendigkeit von digitalem Marketing, haben aber keine Kapazitäten, sich um eine eigene Homepage oder Social-Media-Kanäle zu kümmern.

Die ‚Regiothek‘ leistet aus meiner Sicht Pionierarbeit, indem sie Informationstechnologie mit einem gesellschaftlichen Trend zu innovativen Dienstleistungen kombiniert und so dazu beiträgt, dass ökologische Nachhaltigkeit nicht nur ein Begriff bleibt.“ – Prof. Dr. Michael Granitzer
Plattform ermöglicht Sichtbarkeit von Kleinbetrieben
Die Kooperation zwischen den Firmengründern und dem Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Michael Granitzer ist von Anfang an eng – auch, weil ihm die Vision des Projektes ein persönliches Anliegen ist: „Die ‚Regiothek‘ leistet aus meiner Sicht Pionierarbeit, indem sie Informationstechnologie mit einem gesellschaftlichen Trend zu innovativen Dienstleistungen kombiniert und so dazu beiträgt, dass ökologische Nachhaltigkeit nicht nur ein Begriff bleibt.“ Zudem findet er den Gedanken gut, dass mit der Online-Plattform etwas für die Kleinbäuerinnen und -bauern getan werde, „eben für die Menschen, die sich schon seit Jahrzehnten, lange bevor es die große Bio-Welle gegeben hat, darum bemüht haben, gute und gesunde Nahrung zu produzieren.“ Denn genau hier fehle es oftmals an der notwendigen Technikaffinität, um durch Marketing und Werbung in eigener Sache eine gewisse Sichtbarkeit herzustellen.
Projekt zum Digital Farming
Das Thema „Digitalisierung der Landwirtschaft“ beschäftigt Michael Granitzer auch in einem anderen Kontext: Am neuen Standort der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Ruhstorf an der Rott wurde 2018 das Digitalisierungszentrum Landwirtschaft initiiert, das zukünftig vielfältige Kooperationsmöglichkeiten zwischen der Universität und der LfL ermöglichen wird. Anfang des Jahres startete eine Zusammenarbeit zwischen dem Lehrstuhl Data Science und der Arbeitsgruppe Digital Farming am Institut für Landtechnik und Tierhaltung. „Im Rahmen eines semesterbegleitenden Projekts werden Studierende der Universität Passau mit tierindividuellen Sensordaten aus der Milchviehhaltung sowie Videoaufnahmen arbeiten, die im Rahmen eines Projekts der Arbeitsgruppe Digital Farming erhoben wurden“, erklärt PD Dr. Markus Gandorfer, Leiter der Arbeitsgruppe an der LfL. Zudem nennt er als ein weiteres aktuelles Beispiel die Zusammenarbeit mit dem Hochschulverbund TRIO: Im Austausch mit Dr. Thomas Metten, Koordinator des Teilprojektes „Aktive Gestaltung des Transfer- & Innovationsgeschehens in Ostbayern“, wird die LfL die Evaluierung und Weiterentwicklung von Veranstaltungen zum Wissenstransfer u.a. im Kontext der „Ruhstorfer Digitalen Werkstattgespräche“ angehen.

Die technologische Weiterentwicklung ist rasant und die Hochschulen sind immer up to date. Deshalb halte ich gerade in Niederbayern die Kooperation mit einer Hochschule für den ausschlaggebenden Faktor für Innovationen“ – Alexander Treml
Kooperation als Erfolgsfaktor für Innovation
Auch die Gründer der „Regiothek“ suchen immer wieder den Kontakt zur Universität: „Die technologische Weiterentwicklung ist rasant und die Hochschulen sind immer up to date. Deshalb halte ich gerade in Niederbayern die Kooperation mit einer Hochschule für den ausschlaggebenden
Faktor für Innovationen“, erklärt Alexander Treml. Um den Bedürfnissen der Anbietenden sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher gerecht werden zu können, bedürfe es der Spitzentechnologie, da ist sich Treml sicher: „Gerade im Bereich der Interaktion zwischen diesen beiden Gruppen gibt es für die ‚Regiothek’ jede Menge Forschungsbedarf, den wir nur in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft bewältigen können.“
Autorin: Barbara Weinert
Ersterscheinung: TRIOLOG 1 im Juli 2019